Petrachtungen

Heimatkunde I

Oktober 11th, 2011

Jetzt ist das ja so – steht dieses Wort dort auf der Serviette geschrieben: „Heimat“. Heimat also. Beginne über das Wort und seine Bedeutung nachzudenken. Ist es ein Ort? Ist es ein Gefühl? Ist es eine Beziehung? Ist es etwas, das du teilst? Teilen möchtest? Oder hat Heimat alleinig mit dir selbst zu tun? Trägt Heimat zu deiner Persönlichkeit bei? Was macht Heimat aus?

 

Möchte Antworten. Werde darum Heimat erkunden. In ersten Ansätzen zunächst, weil doch recht komplex so eine Heimat. Gleichsam (Kunde) von Wert. Weil findet man auf diesem Weg interessante Dinge über sich selbst heraus.

 

Heimat. Gefühl von. Kommt auf bei bestimmter Art von Musik. Bei bestimmten Gerüchen. Menschen. Fühl mich mal mehr, mal weniger heimisch. Bin ein Kind der DDR. Erinnerungen damit verbunden, die Wesenszüge prägen und Verhalten mustern. Beobachtend. Entdeckend. Zurückhaltend. Gleichsam entschlossen. Konsequent.

Gehe, um zu bleiben. Bei mir.

 

„I put a spell on you“ erklingt und Hawkings is screaming. Hab das Lied das letzte Mal gehört, als ich in meinem Lieblings-Weincafé saß und nicht so recht wusste, wohin sich die Dinge entwickeln. Wusste nur, sie entwickeln sich. Verändern sich. Das beste, was dir passieren kann – die Veränderung. Ist mir passiert. Mir ist passiert, dass ich mich von einer Welt löste, die nicht die meine war. Um wieder mehr zu Hause zu sein. Bei Musik und Gefühl. Bin nicht länger einsam in dieser Welt. Teile. Weil ich es möchte.

 

Diesmal höre ich das Lied an einem ganz anderen Ort. Interessant – einmal mehr treffen zwei Welten aufeinander. Die heimatliche und die befremdliche. Emotional. Rational. Mein Blick schweift durch die Runde. „Ruler of my heart“! Oh mein Gott, ich liebe dieses Stück! Und während ich das denke, schaue ich in die überschminkten Augen einer busy business lady. Leerer Ausdruck darin. Zeigt Heimat- und Gefühllosigkeit. Sie lächelt steif. Ich lächele der Erkenntnis wegen dankbar zurück.

 

„This is my beginning“; er weiß, was er da auflegt. Unsere Blicke treffen sich. Seiner verrät mir, dass er jeden Song für uns spielt. So wie manchen Abend daheim.

 

Zu Hause. Da, wo es sich geborgen anfühlt. Wo die Menschen sind. Wo die Liebe ist. Wo die Musik ist. Und das Gefühl. Heimat. Die meine.

11-10-11

Kleine rote Mütze

August 17th, 2011

Jetzt ist das ja so – gibt es Dinge, die bedeutungslos scheinen. Situationen auch. Umso bewegender, wenn irgendwie besonderer Augenblick daraus erwächst. Sieh selbst …

Liegt sie einfach so auf der Straße. Findet kaum Beachtung. Kleine rote Mütze. Wem sie wohl gehörte? Passanten passieren. Rot gekleidete Passantin liebäugelt. Im gleichen Moment: älterer Herr mit buschigem Schnauzbart – läuft zögerlich vorbei. Blick auf rote Mütze. Blick auf rotes Oberteil der Frau. Rot nun auch ihr Gesicht. Verlegen laufen rote Frau und buschiger Schnauzbart weiter. Mütze bleibt. Hat gemeinsamen Augenblick geschaffen. Wartet auf weitere …

7-11

Einfach bewundernswert

Juni 5th, 2011

Jetzt ist das ja so – Bewunderung lässt sich auf die verschiedensten Art und Weisen ausdrücken. Eine sehr ehrliche Form ist der bewundernde Blick eines Kindes. Eine Mischung aus Lachen, Seligkeit und Unbeschwertheit in den Augen. Bisschen verspielt vielleicht auch. Und du hast sogleich das Gefühl, zurück lächeln, das Kind umarmen zu wollen. Dazu bedarf es natürlich, dass du ein wenig aufmerksam bist. Sonst siehst du die Reinheit dieser Art der Bewunderung nicht. Und dann die Sache mit dem Erwachsenwerden. So schade, dass die Menschen ihre purste Form der Herzlichkeit mit der Zeit verlieren – sie eintauschen gegen Kontrolle, Ernsthaftigkeit und Vernunft. Ich stelle mir die Frage, wie viel Platz für Bewunderung dann bleibt. Gehen nicht pure Herzlichkeit und echte Bewunderung Hand in Hand? Nun lasst es uns herausfinden.

Nehmen wir die Bewunderung, die Marlene Dietrich gegenüber der Schauspielerin Henny Porten empfand. Sie liebte sie von Herzen. Bot ihr jedes Jahr zum Geburtstag ein Ständchen auf ihrer Violine dar. Kein Kind mehr, aber auch noch nicht wirklich Frau. Und doch oder gerade deshalb voller Liebe und Begeisterung. Ungezügelt. Frei heraus. Eine Gabe.

Gleichsam ist es eine Entscheidung, die du irgendwann in deinem Leben triffst. Bewunderung zulassen. Bewunderung fühlen. Bewunderung mitteilen. Offenen Blickes und offenen Herzens. Lässt du dich darauf ein, wird dich der Moment, in dem du auf diese Weise bewunderst, unsagbar glücklich machen. Denn du empfindest einen ganz besonderen Augenblick bewusst und du empfindest ihn nicht allein. Du teilst. Das heißt, es wird mehr daraus. Bereichernd, nicht wahr?

Nun, wenn du ein wenig darüber nachdenkst, stellst du fest, dass du in jedem Fall schon derartige oder wenigstens ähnliche Momente erlebt hast. Die Frage ist, wie intensiv, wie bewusst. Und mit wem. Ist schon ein Unterschied, ob die Person, der du Bewunderung entgegen bringst, dir irgendwie nahe steht oder nicht. Was der Herzlichkeit keinen Abbruch tut. Nur die Wirkung, wenn du die Bewunderung dann teilst, ist eine andere. Einmal ist die Überraschung unverhofft und trifft auf ein verdutztes Lächeln. Das andere Mal ist die Überraschung vielleicht ein bisschen erhofft. Dann Lächeln selig und voller Hingabe. Und was bitte kann es mehr geben als ein solches Lächeln, das sich in dein Herz graviert? Mit jedem Mal ein bisschen tiefer…

Oh, ich wünsche jedem Paar, dass in ihm die pure Herzlichkeit schlummert und dass es sie weckt, indem es sich dafür entscheidet, Bewunderung zuzulassen, Bewunderung zu fühlen, Bewunderung mitzuteilen. Der Hingabe wegen. Der Bereicherung wegen. Und weil Hand in Hand.

Liebes Brautpaar, bewahrt euch eure Bewunderung füreinander – das ist so viel wert. Bewundernswert.

4-6-11, ein Hochzeitsgeschenk für A.&D.

Wie die Tiere

Juni 3rd, 2011

Jetzt ist das ja so – gibt es Themen, die andere vielleicht mehr beschäftigen als dich. Wenn sie dir dann berichten, kannst du dich entsinnen, gleiches oder ähnliches auch schon beobachtet zu haben. Das ist, wenn du so willst, die Funktionsweise einer Petrachtung. Geht genauso andersherum: Leser berichtet mir. Und berichtet mir nun von einem sehr speziellen Phänomen. Berichtet mir vom all-donnerstäglichen 7:30 Uhr-Szenario bei Lidl. Oder vielmehr vor Lidl. Jetzt ist das nicht so meine Zeit. Umso lebhafter ihre Beschreibung. Führt doch ihr Arbeitsweg jeden Donnerstag an besagtem Discounter vorbei. Inzwischen weiß sie, dass dieser erst 8:00 Uhr öffnet. Das macht die Schlange davor deshalb nicht kürzer. Im Gegenteil; Anaconda nichts dagegen. Und wildes mit den Hufen scharren noch dazu. Eine etwas in die Jahre gekommene Generation scheint hier einmal in der Woche zu einer wilden Horde zu mutieren. Vergleichbar mit Teenies, die Tage vor dem Auftritt ihrer Stars auf dem Konzertgelände campieren. Nur dass bei Lidl kein Star auftritt. Meine ich zumindest. Achim Menzel und Co. sei ja alles zuzutrauen. Nein der wahre Grund für die geplante Warterei ist das am Mittwoch in den Briefkästen gelandete Werbeprospekt mit all den feinen Angeboten. Es muss sich insofern um ein allumfängliches Celebrieren handeln: angefangen beim Prospektstudium bis hin zur Feststellung, dass auch diesen Donnerstag die Angebote bereits ausverkauft sind. Weshalb die Letzten in der Schlange bestrebt sind in der Woche darauf die Ersten zu sein. Ach herrlich. Es amüsiert mich zu hören, wie viel Tier uns Menschen innewohnt. Gleichsam macht es mir Sorgen. Denn kann man das Tier doch bestimmt an anderer Stelle sehr viel zielführender herauslassen. Ha! Na das musste jetzt einfach einmal sein.

3-6-11; danke an Katrin für ihre inspirierenden Schilderungen

Wenn Ohren schmerzen

Mai 21st, 2011

Jetzt ist das ja so – gibt es die Quatscher. Da meine ich die, die ihre Stimme im Proberaum Café trainieren. Schön laut, weil keine anderen Leute anwesend. Außer ich jetzt. Na und die zwei Freundinnen um die Ecke. Und das Pärchen. Und die Bedienung. Für die Quatscher wie allein da. Können sie proben. Die Ansprache. Die Stimmlage. Die Themen. Nix Dialekt. Schön darauf achten. Nicht zu leise. Hörst du? Und es muss um Beruf und Karriere gehen. Weil wichtig – die Quatscher. Sind doch wichtig. Und was sie nicht alles gemacht haben. Wer sie nicht alles begehrt. Wo sie nicht alles schon waren. Dies studiert. Das auch. Hörst du? Schön lächeln dabei. Freundliche Quatscher. Dann kennen sie auch diesen und jenen. Super viele Leute. Total krass. Und alle nett.

Ohren schmerzen! Hörst du? Ohren schmerzen.

Zeit ist ran, den Proberaum zu verlassen. Darf das glücklicherweise. In anderen Situationen weniger einfach. Weil gibt es die Quatscher auch in bösartig – an Orten und zu Zeitpunkten, derer du dich nicht ohne Weiteres entziehen kannst. Zumindest körperlich nicht. Musst du dann gedanklich fliehen. Erstmal. Weg. Weg. Fort. In eine Welt, die sich für dich wohlig anfühlt. Das darfst du dir wert sein. Nein. Musst du! Bye bye Quatscher!

19-5-11

Thanx to Sash Lewis.