Petrachtungen

Versuchtes Selbst-Bildnis

Juni 4th, 2010

Jetzt ist das ja so – wer sich einmal auf die Suche nach seinem Selbst begeben hat, erkennt schnell, dass es dafür kein Fundbüro gibt. Eine Landkarte auch nicht, Navigationsgerät ebenso wenig. Zuallererst stellt sich die Frage, was dieses Selbst eigentlich ist. Also wenn es ein entsprechendes Navigationsgerät gäbe, was würde man denn als Zielort eintragen? Und siehst du, bereits an der Stelle bin ich überfragt.
Nun vielleicht klappt es eher, wenn man versucht, ein Bild zu zeichnen. Sodann ich versuche. Ich male einen Stern. Ist kein gewöhnlicher Stern, weil undefinierbar viele Zacken, unterschiedlich lang, unterschiedlich ausgeprägt. Er flackert, einzelne Zacken glühen, andere nicht. Keine Einheitlichkeit. Wie bei einem richtigen Stern, zeigt auch dieser Anzeichen der Selbstzerstörung. An anderer Stelle regenerieren sich Zacken immer und wieder aufs Neue. Mal mehr, mal weniger von außen stimuliert. Das Außen vom Selbst scheint in gewisser Weise Einfluss auf das Innen vom Selbst zu haben. Was hat das zu bedeuten? Warum ist mein Selbst ein Stern? Solch ein Stern? Ist es gar nur eine Momentaufnahme? So viele Fragen … und nur wenige Antworten. Daraus ergibt sich ein neues Bild, skizzenhaft. Dieses versuchte Selbst-Bildnis scheint ein Mysterium in sich, nie vollständig erfassbar.
Ist das bei dir vielleicht anders? Wie klar ist dein Bild von deinem Selbst? Womöglich hast du auch eine Vorstellung vom einzugebenden Zielort für das Selbstfindungs-Navi. Oder hast du gar den großen Fund im entsprechenden Büro gemacht? Erzähl.

4-6-10, Gedanken während eines Urlaubs allein

3 Responses to “Versuchtes Selbst-Bildnis”

  1. Antje sagt:

    Ich habe mich soeben auf eine kleine Petrachtungs-Reise begeben, wurde bei so einigen Zeilen „angelächelt“, viele Worte haben mich sehr berührt, halt „zack das Gänsehaut-Ding“ Meine Gedanken zum versuchten Selbst-Bildnis… Auch ich verfüge weder über ein Selbstfindungs-Navi, noch wüsste ich bei Vorhandensein eines solchen wie das mit dem Zielort-eintippen dann überhaupt ginge. Ich stelle mir oft die Frage, wer das da drinnen ist, was ein Innen überhaupt ist und ob das Innen auch dem Äußeren entspricht, begebe mich also auf eine Antje-Selbst-Suche. Manchmal wäre da ein solches Navi ganz schön hilfreich, Andererseits… aber auch nicht, denn eigentlich ist es ja auch die Reise selbst, die das Selbst erst zum Selbst werden lässt und das Leben zu dem macht, was es ist, so verwirrend es manchmal auch ist. Eine Reise, bei der es so vieles zu entdecken gibt, immer wieder aufs Neue, ob es nun die vergrabenen dunklen Baustellen oder die hell leuchtenden Sterne der Seele sind. Navi – zwecklos 😉

    Hierzu gleich noch ein kleines (Lieblings-Autor-)Mercier-Zitat: „Von tausend Erfahrungen, die wir machen, bringen wir höchstens eine zur Sprache, und auch diese bloß zufällig und ohne die Sorgfalt, die sie verdiente. Unter all den stummen Erfahrungen sind diejenigen verborgen, die unserem Leben unbemerkt seine Form, seine Färbung und seine Melodie geben. Wenn wir uns dann, als Archäologen der Seele, diesen Schätzen zuwenden, entdecken wir, wie verwirrend sie sind. Der Gegenstand der Betrachtung weigert sich stillzustehen, die Worte gleiten am Erlebten ab, und am Ende stehen lauter Widersprüche auf dem Papier. Lange Zeit habe ich geglaubt, das sei ein Mangel, etwas, das es zu überwinden gelte. Heute denke ich, dass es sich anders verhält: dass die Anerkennung der Verwirrung der Königsweg zum Verständnis dieser vertrauten und doch rätselhaften Erfahrungen ist. Das klingt sonderbar, ja eigentlich absonderlich, ich weiß. Aber seit ich die Sache so sehe, habe ich das Gefühl, das erste mal richtig wach und am Leben zu sein.“

  2. admin sagt:

    Liebe Antje, es ist schön, dass die Petrachtungen eine neue Mitreisende gefunden haben. Deine Sicht auf die Dinge wirkt sehr bereichernd. Ich freu mich auf ein baldiges Treffen und wunderbar tiefsinnige Gespräche.

  3. Annett sagt:

    Die modernen Reisehilfen mag ich gar nicht benutzen. Aufgrund des Zusammensein mit einem IT-Freak bin ich in bestimmten Situationen vor allem auf der Reise zum ICH es Leid Navi & Co zu bedienen.
    Ich moechte mich nicht ueber dieses Leben beschweren, hat die IT mir doch ermoeglicht in einem traumhaftschoenen Land zu leben mit drei wunderbaren Maenners an meiner Seite.
    Aber es ist auch ein sehr forderntes bis an die Grenzen gehendes Leben. Was von immer wieder Abschied nehmen,immer wieder oeffnen muessen und doch seelischer Einsamkeit gekennzeichnet ist.
    Auf der Suche nach Seelenverwandschaft somit auch zu sich selbst, kann alleine schon das sich nicht richtig Ausdruecken von Gefuehlen und Gedanken sein, weil nicht die gleiche Muttersprache gesprochen wird – unterschiedliche nationale Eigenheiten zum Hindernis werden.
    Da kommt man sich so klein, dumm und hilflos vor, obwohl man es doch eigentlich nicht ist. Die Frage: Bin ich das? – Will ich das sein? ist somit taeglich aktuell.
    Dann sind da aber auch die Momente, wo die kleine Raeuber, die einen zu 100 % in Besitz genommen haben, einem die Moeglichkeit geben, mit dem unbeschwerten Auge eines Kindes zu sehen. Der Mond ist dann ein wunderschoener leckerer Eierkuchen, der auf seine Schafe aufpasst. Liebe und Geborgenheit werden durch Gedeihen und Ankuscheln zurueck gegeben. Die liebende aber auch in die Schranke weisend Mama bin ich das?

    Wer bin ich – Wo will ich hin – Wie kann ich an mein Ziel besser Teilziel kommen – Wann werde ich ankommen

    Eine unendliche Reise

Thanx to Sash Lewis.